Sonntag, 22. Januar 2017

Meine liebsten Tatort-Folgen - Reifezeugnis von Wolfgang Petersen

Tatort - Reifezeugnis (BRD 1977) von Wolfgang Petersen
Die 17-jährige Sina Wolf hat ein Geheimnis: Sie unterhält seit einiger Zeit ein sexuelles Verhältnis mit ihrem Lehrer. Als der unglücklich in sie verliebte Schulkollege Michael dahinter kommt, trifft ihn das emotional sehr. Seine Liebe entwickelt sich zur Besessenheit, er versucht, Sina zum Geschlechtsverkehr zu erpressen: Bekommt er seinen Willen nicht, will er ihre Affäre öffentlich machen. Sina sieht sich gezwungen, mit ihm in den Wald zu gehen. Dort kommt es aber nicht zum Sex. Als Michael aufdringlich wird, greift Sina zu einem Stein und erschlägt ihn damit, um sich und ihren Lehrer zu schützen. Deshalb fügt sie sich weitere Spuren einer Vergewaltigung zu und behauptet Kommissar Finke gegenüber, dass sie ein Unbekannter, der schon länger wegen mehrerer Sexualverbrechen gesucht wird, vergewaltigen wollte und Michael - beim Versuch, sie zu beschützen - von diesem ermordet worden sei. Was sie nicht weiß: Michael hat vor seinem Tod seiner Mitschülerin Inge alles erzählt. Diese versucht nun, aus ihrem Wissen Kapital zu schlagen...


Es ist nun etwa zweieinhalb Jahre her, dass ich vollmundig angekündigt habe, in unregelmäßigen Abständen meine Lieblings-Tatorte vorzustellen. Hey, wenn ich in diesem Tempo weitermache, kann es sich nur noch um Jahrhunderte handeln, bis ich halbwegs fertig bin. Das hält mich natürlich trotzdem nicht davon ab, jetzt endlich damit weiterzumachen.
"Reifezeugnis" ist nicht nur die erste große Rolle von Nastassja Kinski, sondern auch ein Frühwerk von Regisseur Wolfgang Petersen ("Das Boot"). Neben einigen Schimanskis (wie dem oben verlinkten "Moltke") zählt "Reifezeugnis" zu den bekanntesten Tatort-Folgen. Das hat mehrere Gründe.
Erstens sind Petersen und Drehbuchautor Herbert Lichtenfeld ein gewisses Risiko eingegangen, indem sie auf das Krimi-Ratespiel "Wer ist der Mörder?" verzichtet und gleich am Anfang den Mord an Michael gezeigt haben. Auch das Motiv ist schon am Beginn klar, wenn man erst sieht, wie Michael erst Sina mit dem Lehrer beobachtet und später versucht, sie zu erpressen. Eigentlich würde man einen schlechter gemachten Krimi an dieser Stelle bereits abschalten. Dass man dennoch bis zur letzten Minute dranbleibt, liegt an den Charakterstudien von Petersen und Lichtenfeld. Es ist eine wahre Freude, zu beobachten, wie Finke und sein Partner behutsam versuchen, das Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren zu entwirren und hinter die angeblich so heile Welt der Verdächtigen zu blicken.
Der Hauptgrund dafür, dass "Reifezeugnis" heute als Tatort-Klassiker liegt, ist aber ein anderer und dieser Grund heißt Nastassja Kinski. Was für eine Talentprobe! Kinski spielt Sina mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Allein die Szene, in der sie am Ende mehrfach erfolglos versucht, sich umzubringen - fantastisch. Und dabei ist es mir völlig egal, dass sie sich ein paar Mal auszieht (obwohl sie dadurch durchaus ein wenig "Schulmädchenreport"-Flair in die deutschsprachigen Wohnzimmer brachte). Eine Talentprobe wie diese hat man beim Tatort nur äußerst selten gesehen.

Fazit zu Reifezeugnis
"Reifezeugnis" ist ein zeitloser Tatort, den man sich auch heute noch ohne Weiteres anschauen kann.

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